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Maurice Barraud, 4 Einträge

Maurice Barraud, am 20. Februar 1889 in Genf geboren, wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Durch den vorzeitigen Tod beider Elternteile ist er schon früh gezwungen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Als 14-jähriger bricht er deshalb die Schule ab und beginnt mit der Ausbildung zum Gebrauchsgraphiker bei SADAG (Société anonyme des Arts graphiques). Noch während seiner Lehre besucht er Abendkurse an der Ecole des Beaux-Arts in Genf, wo er bei Pierre Pignolat nach Gipsmodellen zeichnet, bei Léon Gaud Akte malt und bei James Vibert modellieren lernt. Mit 20 Jahren ist er bereits selbständiger Presse- und Werbezeichner und führt zusammen mit seinem Bruder Gustave François ein graphisches Atelier in Genf. Ein Stipendium ermöglicht es ihm 1913 schliesslich, sich ganz der Malerei zu widmen.

Ein Jahr später gründet er, ebenfalls zusammen mit seinem Bruder, die Künstlergruppe "Le Falot", die sich für eine authentischere, weniger idealisierte Schweizer Kunst einsetzt. Ausstellungen der Gruppe in der Basler Kunsthalle sorgen für Aufsehen und im Genfer Kulturleben spielt "Le Falot" eine wichtige Rolle, nicht zuletzt, da aus ihr auch die Zeitschrift "L'Eventail" hervorgeht. Diese vermittelt französische Kunst und Kultur der Gegenwart, v.a. die Werke von Matisse, Picasso und Modigliani.

Im Frühwerk Barrauds spielt die französische Literatur, u.a. Verlaines, Rimbauds und Baudelaires, keine unwesentliche Rolle. Während seiner künstlerischen Karriere illustriert er mehrere literarische Werke (z.B. 1932 "Carmen" von Prosper Mérimée). Ausserdem ist er selber gelegentlich schriftstellerisch tätig. In seiner frühen Malerei dominieren dunkeltonige Sittenbilder des Genfer Nachtlebens, die vorwiegend unter dem Eindruck von Degas und Toulouse-Lautrec entstanden sind. Die Genfer Galerie Max Moos stellt seine Werke bis Ende der 1920er Jahre aus.

Während eines ersten Aufenthalts im Tessin 1918 findet der Künstler den Zugang zur Freilichtmalerei, wodurch seine künstlerische Karriere eine entscheidende Wende erfährt. Noch im selben Jahr besucht er, zusammen mit seiner Schwester, Barcelona, wo sich unter dem Eindruck des südlichen Lichts die Farbpalette weiter aufhellt. Heitere, lichtdurchwirkte Mittelmeerlandschaften und Figurenbilder südländischen Charakters zeugen von seinen zahlreichen Reisen nach Spanien, Italien und Algier. Thematischer Mittelpunkt des gesamten Werks des Künstlers ist jedoch die weibliche Figur. Der immer wieder verwendete Typus wird durch ein ovales Gesicht mit sinnlichen aufgeworfenen Lippen und einem griechischen Profil sowie durch einen kräftigen Körper mit opulenten Formen definiert.

Zwölf Jahre lang (1922–1934) verbringt Barraud die Sommer in Buchillon bei Morges am Genfersee, wo er nackte Modelle in freier Natur posieren lässt. Zwischendurch besucht er mehrere Male Paris, wobei er sich jedoch nicht sonderlich interessiert zeigt für die zeitgenössischen Kunstströmungen. 1938 wird er Hausbesitzer in Cassis-sur-Mer, wo er bis zu Beginn des 2. Weltkriegs wohnhaft bleibt. Den Winter verbringt er jeweils in der Vaterstadt Genf.

Die Werke dieser Zeit sind geprägt durch ein pastellartiges Kolorit und stark akzentuierte Lichteffekte. Dabei integriert Barraud oft lineare Arabeskenmotive, z.B. in Form von Stuhllehnen oder Balkongeländer, in die flächig angelegten Kompositionen. Das Spätwerk, das ungefähr 1950 anzusetzen ist, ist dem Harlekinbild gewidmet. Statt sinnlich-körperhafte Frauengestalten bevölkern nun schmale Tänzerfiguren eine ins Traumhafte gewandelte Leinwand.

Maurice Barraud ist auch als Zeichner, Stecher und Lithograph tätig, wobei vor allem seiner Zeichnung spezielle Anerkennung zukommt. Ausserdem hat er während seiner Karriere in regelmässigen Abständen monumentale Werke in Form von Wandmalereien geschaffen, beispielsweise 1929 die allegorische Komposition "Nord-Sud" für den Luzerner Bahnhof.

Zusammen mit Alexandre Blanchet und René Auberjonois gehört er zu den Erneuerern der Malerei der franz. Schweiz. Sein leicht zugängliches Werk, das geprägt ist von der sonnigen, heiteren Welt des Südens, verhilft ihm früh zu Anerkennung, die bis zu seinem Tod am 11. November 1954 anhält. Teilnahmen an diversen Ausstellungen im In- und Ausland runden seine Karriere ab. Obwohl seine Werke heute noch in fast allen Sammlungen der Schweizer Museen vertreten sind, nimmt jedoch das Interesse am Künstler seit seinem Tod kontinuierlich ab.

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