Richard Long, 1 Einträge
In der Rolle des Geographen, Geologen und Künstlers dokumentiert er die durchwanderten Gegenden mit Worten, Einzeichnungen auf Landkarten, Diagrammen oder einfachen Fotografien, die Eingang in den Ausstellungsraum finden. Dort präsentiert Long auch Schlamm-Arbeiten sowie Skulpturen, die ähnlich aufgebaut sind, wie die Arbeiten in der freien Natur. Ohne vorheriges Erproben legt Long das Material im Raum aus, anschliessend erstellt er ein Zertifikat, das eine präzise Herstellung des Werkes auch in Abwesenheit des Künstlers garantieren soll. Das Material für die Skulpturen im Innenraum stammt meistens aus urbanen Räumen oder Steinbrüchen, die sich vorzugsweise in der Nähe des Ausstellungsortes befinden. Er sei ein Opportunist, sagt Richard Long und nutze das, was er jeweils vorfinde. Gewöhnliche Steine sind daher bevorzugtes Material, denn sie sind leicht verfügbar. „Steine geben mir die Möglichkeit, überall Kunst zu machen“ sagt er in einem seiner seltenen Interviews. Long reiht Stein an Stein, trägt Steine mit sich rum, schiebt, wirft, zählt, richtet auf, trägt zusammen. Treibholz, Brandholz und Baumreste sind weitere Materialien, mit denen Long hin und wieder arbeitet. Sein ganzes Schaffen steht in einem Gleichgewicht zwischen naturgegebenen Rohstoffen und menschlicher Abstraktionen, wie sie seit Jahrtausenden mit Linien, Kreisen und Spiralen beschrieben wird. Indem die einfachen geometrischen Figuren eine gewisse Allgemeingültigkeit aufweisen, sprechen sie eine Universalsprache und haben – so der Künstler selbst – mehr Kraft, als wenn er eine eigene, unverwechselbare persönliche Formensprache erfinden würde. Trotz der Nähe zu verschiedenen kulturhistorischen Formensprachen orientiert sich Richard Long nie an direkten Vorbildern.
In der puristischen Ästhetik und im stark konzeptuellen Vorgang ist eine Affinität zur Minimal und Conceptual Art der 1960er-Jahre klar erkennbar; zudem verkörpern seine handlungsbetonten, ephemeren Werke ähnliche Zeitraumgeschichten wie die Darbietungen der Happening- und Performance Künstlern. Trotz diesen Parallelen hat Long sich nie wirklich für die entsprechenden theoretischen Auseinandersetzungen interessiert. Es geht ihm vielmehr um eine unmittelbar sinnliche Erfahrung seiner Werke, um wirkliche Steine, wirkliche Zeit, wirkliches Tun: „Es ist nicht meine Absicht, undeutlich oder elitär zu sein. Ich glaube ehrlich daran, dass mein Werk zugänglich ist, wenn die Menschen ihren Geist öffnen – man muss sich damit treiben lassen, wie Musik.“ In dieser entintellektualisierten Sichtweise entfalten Richard Longs Werke eine universelle Präsenz, die jedem Betrachter die Möglichkeit bietet, in einer kontemplativen Begegnung das Werk fernab von jeglichen Lehrbüchern rein persönlich zu begreifen.
Denise Frey
Malpas, Richard, The Art of Richard Long. Complete Work, Kent: Crecent Moon Publishing, 2007
Loeliger, Walter / Wenzinger, Regula, Federleicht und vogelfrei. Lesebuch für das 4. Schuljahr, Buchs: Lehrmittelverlag des Kantons Aargau; Aarau: Sabe Verlag 2006, 2. Auflage
Geiseler, Marie-Louise, Zeit/Raum/Natur-Erfahrung im Werk von Richard Long, unveröffentlichte Dissertation Humboldt-Universität Berlin, 2003
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Landpartie - Die Sammlung des Kunstmuseums Luzern auf Reisen im Kanton, mit Texten von Jean-Christophe Ammann, Theo Kneubühler, Ulrich Loock und André Rogger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1998
Seymour, Anne/Fulton, Hamish, Richard Long. Walking in Circles, London: Thames and Hudson, 1994
Krefeld, Kaiser Wilhelm Museum, Schwerpunkt Skulptur. Hundertvierzig Werke von achtzig Künstlern, 1950-1990, hrsg. von der Stadt Krefeld, mit Texten von Gerhard Storck und Julian Heynen, Krefeld: Kaiser Wilhelm Museum, 1992
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungsbilanz 11 Jahre - 1117 Werke - 211 Künstler und Künstlerinnen, Ergänzungsband 2 zum Sammlungskatalog, hrsg. von Martin Kunz, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1989