Die als „Fahnen“ betitelte Werkgruppe aus dem Jahr 1992 besteht aus sechs annähernd quadratischen Flaggen. Quelle der künstlerischen Inspiration bildete ein für die Präsentation von Kunstwerken nicht verwendetes, zur Galerie Toni Gerber gehörendes Schaufenster an der Gerechtigkeitsgasse 74. Über einen Zeitraum von einer Woche wurde jeweils eine der Fahnen in Gerbers Schaufenster ausgestellt.
Für die sich hinsichtlich der Masse nur geringfügig voneinander unterscheidenden Fahnen verwendete der Künstler verschiedene Bildträger; nebst für die Flaggen-Herstellung konventionellen Baumwoll- und Nylonstoffen, die seine damalige Freundin Barbara formatgerecht zusammennäht, greift er auf Leinwände zurück. Auf den Fahnen finden sich (von einer Ausnahme abgesehen) mit Ölfarbe aufgetragene auf die Schweiz bezogene Bildzeichen, beispielsweise Armbrust und Kreuz, oder ausschliesslich aus Grossbuchstaben bestehende, knapp formulierte Sätze, wie „L’ETE C’EST MOI“ und „HERR VERGIB UNS UNSER TAEGLICH BROT“, die aufgrund des ausgewählten Bildträgers parolenhaften Charakter annehmen.
Dem explizit fürs Schaufenster konzipierten und temporär angelegten Werk lag, wie Denzler in einem Interview mit der Autorin 2011 erwähnt, die Intention zu Grunde, ein möglichst breites Publikum zum kritischen Nachdenken über gesellschaftliche Themen herauszufordern. Um dies zu erreichen, arbeitete Denzler mit dem Mittel der Verfremdung, die jedoch nur so weit reicht, als dass der ursprüngliche historische, politische oder religiöse Kontext, dem die ausgewählten Symbole und Sätze entnommen sind, für den Rezipienten erkennbar bleibt. So wird der jedem aus dem Geschichtsunterricht bekannte absolutistische Leitsatz „L’État c’est moi“ zu „L’ETE C’EST MOI“. Diese humoristische sprachspielerische Manier dient der polemischen Hinterfragung autoritärer politischer Systeme. Kritik übt Denzler beispielsweise auch mit der farblich modifizierten Schweizer Flagge: ein weisses auf schwarzem Grund aufgenähtes Kreuz. Hiermit lehnt er sich gegen das 1992, in seinen Augen, vorherrschende, für den Konservatismus stehende Schwarz-Weiss-Denken seines Heimatlandes auf.
Denzler selbst bezeichnet diese Werkgruppe, welche bislang nur im Gerber’schen Schaufenster zu sehen war, als „Ausnahmeerscheinung“ innerhalb seines künstlerischen Schaffens. Es sei das einzige Kunstwerk mit einer „rebellischen Note“, die sich durch sein junges Erwachsenenalter erklären lasse.
Die Reaktionen auf Denzlers Fahnen waren nicht durchwegs positiver Natur. Bei einigen Passanten stiess dessen provokativ künstlerische Geste auf Unverständnis, das in Form von bitterbösen, an Gerber adressierten Briefe artikuliert wurde.
Cathrine Fassbind