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Werkbeschrieb
1901 erleidet Amiets Frau Anna die Todgeburt des einzigen Sohnes, ein Erlebnis, das der Künstler in dem Triptychon "Die Hoffnung" (1902) thematisiert. Drei Jahre später adoptiert er seine Nichte Greti. Drei weitere Kinder, unter anderem Hermann Hesses Sohn Bruno, nimmt er während der folgenden Jahre in Pflege.
Im "Sitzenden Mädchen" hat Amiet vermutliche seine erste Adoptivtochter, Greti, dargestellt, deren körperliche Entwicklung er in zahlreichen Bildern festhält. Das Mädchen, das sich in einem Sofa zurückgelehnt hat, bildet eine von rechts unten nach links oben verlaufende Diagonale, die die horizontalen Farbebenen von Sitzfläche, Sofalehne und Wand durchkreuzt. Kräftige, schwarze Konturen setzen die Figur vom flächigen Hintergrund ab und erinnern an Amiets Mitgliedschaft in der expressionistischen Künstlergruppe "Brücke". Farblich ist das Gemälde zurückhaltend, weshalb es innerhalb des koloristisch geprägten Werks des Künstlers eine Sonderstellung einnimmt. Dennoch strahlt auch hier die Farbe eine unmittelbare Sinnlichkeit aus. Vor allem der Kontrast zwischen den kalten Farbtönen in Weiss und Rosa und den warmen Orangetönen verleiht dem Gemälde eine eigene Attraktivität.
Ebenso bildbestimmend ist der Gegensatz von Flächigkeit und Plastizität von Gesicht und Hals. Dabei steht das Porträthafte weniger im Vordergrund, als eine allgemeine körperliche Präsenz. Nur drei Jahre später entstehen Amiets erste bildhauerische Arbeiten, wobei es sich vorwiegend um Büsten handelt. Da der Künstler gerade der Modellierung der Kopf-Schulter-Partie besondere Aufmerksamkeit zollt, liegt der Gedanken nahe, das vorliegende Gemälde als Auftakt zum plastischen Schaffen des Künstlers zu betrachten.
Regine Fluor-Bürgi
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung, 1939 Ankauf Rosengart, Luzern
Eingangsjahr:1939
Provenienz/ Provenance
Richard Bühler, Winterthur
Salon Bollag, Zürich, 1931 (nicht verkauf)
Galerie Fischer, Luzern, 1935 (nicht verkauft)
Galerie Rosengart, Luzern, 1939
Bernhard Eglin-Stiftung, 1939
Bibliografische Referenz/ Bibliographical References Franz Müller und Viola Radlach: Cuno Amiet. Die Gemälde 1883-1919, Teil 2 .
Unmittelbare Quellen (Dokumente mit unmittelbarem Bezug zum Objekt)/ Primary Sources
«Inventar der Sammlungen der Bernhard Eglin-Stiftung von 1933-1945», Stadtarchiv Luzern
Korrespondenz Frau Angela Rosengart
Auktionskatalog Salon Bollag, 1931 (Heidelberger Historische Bestände – Digital)
Auktionskatalog Galerie Fischer, 1935 (Heidelberger Historische Bestände – Digital)
Weitere konsultierte Quellen/ Further sources
• Stadtarchiv Luzern
• Heidelberger Historische Bestände (HHB)
Zusammenfassung/ Conclusion
Das Gemälde wurde von der Bernhard Eglin-Stiftung - heute BEST Art-Collection - im Jahr 1939 bei der Galerie Rosengart erworben, was wir dem «Inventar der Sammlungen der Bernhard Eglin-Stiftung von 1933-1945» aus dem Stadtarchiv Luzern entnehmen konnten. Gemäss dem Werkkatalog zu Amiets Gemälden erstand der Winterthurer Kunstsammler Richard E. Bühler das Gemälde direkt beim Künstler. In den folgenden Jahren wurde das Gemälde sowohl an der Auktion der Galerie Bollag in Zürich (1931) als auch an der Auktion der Galerie Fischer in Luzern (1935) zum Verkauf angeboten, jedoch beide Male nicht verkauft. Nach Angaben von Frau Angela Rosengart wurde das Gemälde 1939 von Richard E. Bühler an die Galerie Rosengart verkauft. Die Etikette auf der Gemälderückseite zeigt die Adresse der Luzerner Dependance der Galerie Thannhauser in Luzern, die später von Sigfried Rosengart übernommen wurde.
Kategorie A
Ausstellungsgeschichte
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
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Hodler. Amiet. Giacometti. Werke aus Innerschweizer Sammlungen, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 10.07.2010 - 10.10.2010
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Ausstellung von Werken der Maler Cuno Amiet und Giovanni Giacometti, Winterthur, Museum Winterthur, 06.05.1917 - 31.05.1917
Schweizer Meister. Sammlungsausstellung zum 75–Jahr–Jubiläum der Bernhard Eglin–Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 31.05.2008 - 20.10.2008
Aus der Sammlung: Männer und Frauen
Figuren und Porträts von Hans Holbein bis Ugo Rondinone aus der Sammlung, Kunstmuseum Luzern
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Modernité - Renoir, Bonnard, Vallotton, Die Sammlung Richard Bühler, Kunstmuseum, Winterthur, 03.10.2020 - 07.02.2021
Literatur
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Althaus, Peter F., "Schweizer Kunst im 20. Jahrhundert", in: Kunstnachrichten. Zeitschrift für internationale Kunst, Bd. 3, 1967
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Meyer-Rahn, Hans, Gesamtbericht über die Gründung und Tätigkeit der Bernhard Eglin-Stiftung von 1933-1946, Luzern: Bernhard Eglin-Stiftung, 1946
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940
Luzern, Galerie Fischer (Auktions-Kat.), Sammlung Richard Bühler, Winterthur: französische Impressionisten, moderne Schweizer Meister, Zeichnungen, Graphik, Plastik, Auktion vom 2. September 1935, Luzern: Galerie Fischer, 1935
Luzern, Kunsthaus Luzern (Ausst.-Kat.), Katalog der Eröffnungsausstellung, Luzern: Kunsthaus Luzern, 1933
Winterthur, Kunstverein Winterthur (Ausst.-Kat.), Ausstellung von Werken der Maler Cuno Amiet und Giovanni Giacometti, Winterthur: Kunstverein Winterthur, 1917