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Werkbeschrieb
Das Gemälde zeigt einen dunkel gekleideten Trauerzug im verschneiten Gebirge, der von einem Jungen angeführt wird. Auf der von ihm getragenen Grabtafel ist zu lesen, wer im geschulterten, mit Blumen geschmückten Sarg aufgebart wird. Es ist die „ehr- und tugendsame Jungfrau Maria Amstutz, geb. 2. August 1868, gest. 29. Wintermonat 1882“. Der Himmel ist wolkenverhangen an diesem Novembertag, überall wohin das Auge reicht liegt Schnee, der geschickt mit vielen kurzen Pinselstrichen in Weiss- und Grauabstufungen modelliert ist. Einzig ein paar knorrige Äste, an denen noch die letzten verdorrten Blätter hängen, und einzelne Steinbrocken schauen aus der weissen Decke hervor. Schweigsam, in einer Kolonne gehend, mit gesenkten Köpfen und teilweise niedergeschlagenen Augenliedern, steigen die Angehörigen, der Pfarrer und sein Vikar (erkennbar an den Kopfbedeckungen) den geschlängelten Weg ins Tal hinab. Ein Mann hebt den Hut beim Vorbeigehen an einem verwitterten Bilderstock zum Gruss. Geschickt wird der Blick des Betrachters, den Menschen folgend, in die Bildtiefe gelenkt. Bei den im Hintergrund stehenden Männern und Frauen, die ihre Arbeit zur Seite gelegt haben (der allein stehende Mann trägt Axt und Säge unter den Armen) und dem Trauerzug nachschauen, hält das Auge des Betrachters für eine Weile inne, ehe es zum Haus am Abhang springt, anschliessend gegen den Himmel abschweift, um schliesslich wieder an die Spitze des Trauerzuges gelenkt zu werden. Eine ruhige, bedrückende Stimmung herrscht, der Betrachter fühlt mit den Angehörigen der jung verstorbenen Frau mit.
Das Bild nimmt zwei zentrale Punkte in Bachmanns Genremalerei auf: Einerseits sein Interesse für öde, verschneite Winterlandschaften, andererseits seine Vorliebe für traurige, melancholische Bildthemen. Das Thema des Begräbnisses taucht in Bachmanns Werken mehrfach auf. Es ist, wie auch die oft von Bachmann gemalten Themen der Taufe und der Ernte, dem Alltag und Brauchtum des bäuerlichen Lebens entnommen. Es spricht den Betrachter direkt an und macht betroffen. Dieses Interesse für realistische Leichenzüge und Begräbnisszenen findet sich aber auch in der zeitgenössischen europäischen Malerei von Deutschland über Frankreich und Skandinavien wieder. Bachmanns Interesse für diese Themen ist somit nicht singulär, er ordnet sich vielmehr in die europäische Kunstströmung ein, welche den Tod eines Menschen im Kreise der Familie stimmungsvoll und realistisch zugleich jedoch nicht mehr romantisch verklärt oder symbolistisch überladen darstellt.
Durch die realistische, bis in alle Einzelheiten sorgfältige Darstellung wird Bachmanns Gemälde scheinbar Zeuge dafür, wie in den 1880er Jahren der Marsch zum Friedhof im Tal zu Winterzeiten stattgefunden hat. Die Nennung der Toten und deren Lebensdaten, der Fakt, dass sie erst wenig vor der Entstehung von Bachmanns Gemälde verstorben ist, verleiht dem Gemälde eine erinnernde, geschichtsschreibende Komponente. Es gewinnt an Plausibilität, dass es sich tatsächlich so zugetragen und Bachmann dieses Ereignis für die Nachwelt festgehalten habe.
Die Grösse der Figuren ist so gewählt, dass sie das zentrale Thema des Gemäldes bilden, obschon sie angesichts des Gebirges nur kleine Geschöpfe sind, die sich ohnmächtig dem von Gott auferlegten Fortlauf der Zeiten ergeben müssen. Das Format lehnt sich mit den grossen Ausmassen an die traditionelle Salonmaler des ausgehenden 19. Jahrhunderts an. Die grossen Bilderformate halfen, um in den eng gehängten Salons herauszustechen, die anderen Mitkonkurrenten zu übertreffen. Das Gemälde kam 1885, unmittelbar nach seiner Fertigstellung 1884 (zusammen mit zwei Gemälden von August Bachelin, KML C 1x und KML C 2x), mit Hilfe von Bundesgeldern als Sektionskauf in die Sammlung des Kunstgesellschaft Luzern, die damals noch über kein eigenes Museum verfügte und ihre Sammlung jeweils im Sommer im Rathaus zeigte.
Im selben Jahr hat Bachmann für dieses Bild ein „Diplôme de mention honorable“ anlässlich der Weltausstellung im belgischen Antwerpen erhalten. Diese erste Auszeichnung ermunterte Bachmann in der Genremalerei weiterzuarbeiten obschon er, wie er in seiner Lebensskizze schreibt bis dahin „mit den sogenannten Bauernbildern finanziell weniger Erfolg gehabt [hat] als früher mit den Süssen Rokokobildern.“
Anne-Laure Jean
Provenienz
Kunstmuseum Luzern
Eingangsjahr:1885
Ausstellungsgeschichte
Innerschweiz. 11. Gemäldeausstellung Trubschachen, Trubschachen, Kulturverein Trubschachen, 23.06.1984 - 15.07.1984
Strassenszenen, Luzern, Historisches Museum, 29.05.2002 - 15.09.2002
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Kiste, Kutsche, Karavan: Auf dem Weg zur letzten Ruhe, Kassel, Museum für Sepulkralkultur, 17.09.1999 - 31.01.2000
Schnee, Land und Leute: Gemälde von Anker bis Emmenegger aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 07.02.2004 - 18.04.2004
Ins Offene! Landschaftsdarstellungen von Ferdinand Hodler und Robert Zünd bis Max von Moos, Luzern, 08.03.2014 - 16.11.2014
H. Bachmann, A. Fellmann, F. Stirnimann, Jos. Zelger, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 07.10.1945 - 25.11.1945
Literatur
Vogel, Maria, "Der Genremaler Hans Bachmann. Aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern", in: Luzerner Zeitung, 02.08.1994, S. 9
Trubschachen, Kulturverein Trubschachen (Ausst.-Kat.), Innerschweiz. 11. Gemäldeausstellung Trubschachen, 1984
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Hilber, Paul, Hans Bachmann. Leben und Werk des bedeutenden Schweizer Malers, mit einer Einführung von Adolf Ribi, Zürich: Fraumünster-Verlag AG, 1949
Luzern, Kunstmuseum (Ausst.-Kat.), H. Bachmann, A. Fellmann, F. Stirnimann, Jos. Zelger, Text von Dr. P[aul] H[ilber], Luzern: Kunstmuseum, 1945
Abt, Roman, Geschichte der Kunstgesellschaft in Luzern von der Gründung bis 1920. Festschrift zur Jahrhundertfeier, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1920
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Katalog der Kunstwerke in Rathaus in Luzern, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1916
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Catalog der Gemälde-Sammlung der Kunstgesellschaft in Luzern, Luzern: Verlag der Kunstgesellschaft, 1905
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Ausst.-Kat.), Katalog der Jubiläums-Ausstellung der Kunstgesellschaft der Stadt Luzern im Stadthause zu Luzern, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1889