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Werkbeschrieb
Fünf Jahre nach den „Frauen mit buntem Teppich“ malt Pechstein dieses Bild, das nicht nur mit der Wahl der Szene auf eine direkte erotisch-sinnliche Ausstrahlung des weiblichen Akts verzichtet, sondern insgesamt, von der Farbgebung, vom Ausdruck, von der Haltung der Frau her eine beinahe unheimliche Unterkühltheit und Zurückhaltung manifestiert. Die mediterrane, wenn nicht gar urtümliche Sinnlichkeit der Südsee, die noch 1920 in den Bildern anklingt, ist hier ganz verschwunden, nicht aber die Intensität der Farben, die die abweisende Kühle noch wirksamer macht und ein Feuerwerk von Licht und Farbspannung inszeniert zwischen dem dunklen Violettblau, den Schwarztönen und dem blassen Weissgelb des Körpers. Die Frau gewinnt durch ihren verschlossenen Charakter wie durch das dekadente Zeitgefühl, das sie ausstrahlt, an Eigenständigkeit und Persönlichkeit im Gegensatz zu früheren Frauendarstellungen Pechsteins, die sehr typisiert wirken. Die verbreitete Meinung, dass die Expressionisten in den 20er Jahren an Intensität verlieren, ist sicher für Pechstein mit diesem Bild widerlegt, das zu den besten Arbeiten des Künstlers gehört. Auch bedeutet das Aufkommen der „Neuen Sachlichkeit“ in Deutschland etwa im Werk von Dix, Grosz oder Beckmann eine Herausforderung an die nun „etablierten“ klassischen Expressionisten, die sich bereits einem Heer von Epigonen gegenübersehen. Pechstein sucht jedoch nicht dieses direkte soziale Engagement. Er lebt noch eindeutiger seine schon immer offensichtliche Vorliebe für Matisse aus, verfolgt dessen späteres Werk. Letzte Spuren des typisch deutschen Expressionismus verschwinden und machen einer immer intensiveren Ausdrucksfähigkeit durch Farbe und ornamentale Gestaltung Platz. Die Qualitäten dieser französischen Tradition werden deutlich, ohne dass man z.B. dieses Bild als uneigenständige Nachschöpfung empfindet. Die deutsche Kunstkritik der damaligen Zeit jedoch sieht nur einen Mangel an Tiefgang. So wird z.B. in der Darstellung des deutschen Expressionismus von Meier-Graefe Pechstein ganz weggelassen. Andere kritisieren die unverhohlene Freude am Dekorativen wie des Künstlers Erfolg zu Beginn der „Brücke“-Zeit. Doch auch der „dekorative“ Pechstein wird von den Nazis geächtet. Es gelingt ihm zwar, den Krieg in Deutschland zu überleben, aber viele seiner Werke werden zerstört.
Martin Kunz (Text aus: Slg.-Kat., Kunstmuseum Luzern, 1983)
Provenienz
Kunstmuseum Luzern
Eingangsjahr:1936
Ausstellungsgeschichte
1933-1993. 60 Jahre Kunstmuseum Luzern im Meili-Bau, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 20.04.1993 - 02.05.1993
Schenkung Minnich 1937
"Wühlen in Farben, Wälzen in Klängen". Schenkung Minnich, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 18.10.2002 - 27.04.2003
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Max Pechstein. Ein Expressionist aus Leidenschaft. Retrospektive, Regensburg, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, 06.03.2011 - 26.06.2011
Max Pechstein, Unn, Schloss Cappenberg
Sammlung Walter und Alice Minnich 1936/37
Max Pechstein. Sein malerisches Werk, Berlin, Brücke-Museum, 22.09.1996 - 01.01.1997
Max Pechstein. Ein Expressionist aus Leidenschaft. Retrospektive, Kiel, Kunsthalle zu Kiel, 19.09.2010 - 09.01.2011
Minnich Raum 12
Modell für ein Museum. Werke aus der Sammlung, mit der integralen Schenkung Minnich, dazu ein "Bilderzimmer" von Anton Henning und Allan Porters "I Am a Museum", Luzern, Kunstmuseum Luzern, 21.10.2006 - 11.02.2007
Mein Freund Max Pechstein. Die Sammlung Walter Minnich, Pforzheim, Ausstellungshalle im Reichlinhaus, 14.09.2008 - 16.11.2008
Max Pechstein. Körper, Farbe, Licht, Ravensburg, Kunstmuseum, 28.11.2015 - 10.04.2016
Literatur
Fritz, Nicole; Kunstmuseum Ravensburg, Max Pechstein. Körper, Farbe, Licht, Wienand Verlag 2015
Soika, Aya, Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, hrsg. von der Max Pechstein Urheberrechtsgemeinschaft, München: Hirmer Verlag, 2011
Ohne Autor, "Mit Leidenschaft und Naturgefühl. Pechstein-Retrospektive im Regensburger Kunstforum Ostdeutsche Galerie", in: Zeitkunst. Monatszeitung für Kunst & Kultur, Nr. 4, 2011, S. 4
Bugmann, Urs, "Kunstmuseum Luzern. Rollenspiel mit zwölf Museumsmodellen", in: Neue Luzerner Zeitung, 21. Oktober 2006, S. 14
Greschat, Isabel/Lichtin, Christoph (Hrsg.), Pechstein, Melzer, Soutine, Terechkovitch. Der Sammler Walter Minnich und das Kunstmuseum Luzern, Heidelberg: Kehrer; Luzern: Kunstmuseum Luzern, 2006
Berlin, Brücke-Museum (Ausst.-Kat.), Max Pechstein. Sein malerisches Werk, hrsg. von Magdalena M. Moeller, mit Texten von Meike Hoffmann, Andreas Hüneke, Markus Krause, Magdalena M. Moeller (et al.), München: Schirmer Verlag, 1996
Unna, Schloss Cappenberg (Ausst.-Kat.), Max Pechstein, hrsg. vom Kreis Unna, mit einem Text von Jürgen Schilling, Unna: Kreis Unna, 1989
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Hoffmann, Bodo, "Gezeiten der Farbe. Max Pechstein: verehrt, verfemt, vergessen", in: TR 7. Tele Radio 7, 14. bis 20. Dezember 1981, Nr. 50, S. 8-9, 13
Kneubühler, Theo, "Aus dem Kunstmuseum Luzern: Max Pechstein. Modellpause", in: Vaterland, 9. April 1976