Die querformatige Arbeit zeigt 30 regelmässig diagonal nach rechts oben verlaufende Streifen, wobei sich jeweils zwei unterschiedlich beigefarbene in der gleichen Breite abwechseln. Die Leinwand wird durch das Streifenmuster strukturiert und die Linien, welche jeweils über die ganze Fläche führen, können imaginär weiter gezogen werden. Zentral ist die Relation zwischen der Erscheinungsform und dem Grund. Das Muster hat keine Eigenaussage und jegliche illusorische Bildtiefe ist eliminiert.
Das Werk gehört in eine Gruppe, die zwischen 1972 und 1977 entstand. Hierfür entlieh Mosset dem französischen Künstler Daniel Buren das von ihm seit Mitte der 1960er Jahre verwendete Streifenmotiv, das dieser zum Basiselement seiner Werke gemacht hat und schnell einer Signatur gleichkam. Im Unterschied zu seinem Künstlerkollegen sind die Streifen bei Mosset nicht nur vertikal, sondern auch horizontal, oder wie hier, diagonal gesetzt. Während die Hintergrundfläche bei Buren weiss ist, verwendet Mosset auch andere monochrome Flächen. Der Signalcharakter bleibt jedoch erhalten.
Wie bereits in den frühen Arbeiten Mossets, in denen er einen schwarzen Kreisring auf eine weisse Leinwand gebracht hatte, ist auch dieses Verfahren von einem repetitiven Charakter geprägt. In dem er sich das von Buren konzeptuell verwendete Streifenmotiv aneignet, ist Mossets Arbeit mit der „Appropriation Art“ verwandt. Vertreterinnen und Vertreter dieser Strömung hatten eben das Nachahmen fremder künstlerischer Motive zum Thema der eigenen Werke gemacht hat, wie dies unter anderem von den Arbeiten von Sherrie Levine bekannt ist. Mit dem Entlehnen des Markenzeichens von Buren geht Mosset eingehend der zentralen Frage nach Originalität und Subjektivität eines Werkes nach. Der Schweizer Künstler versucht auf diesem Weg zu einer neutralen, anonymen Kunst zu gelangen, in der er als Autor in den Hintergrund rückt und eine subjektive Sprache eliminiert. Damit steht die Authentizität eines Kunstwerks zur Diskussion.
Malerei, die selbstreferentiell ist und nicht das Sujet, sondern die malerische Bewältigung der Fläche ins Zentrum setzt, ist spätestens seit Malevitschs schwarzem Quadrat von 1913 zu einem künstlerischen Kernthema geworden. Auch Künstler wie der Holländer Piet Mondrian oder später auch die Amerikaner der Nachkriegszeit wie Barnett Newman oder Ad Reinhart haben versucht jeglichen Illusionismus und Narration aufzuheben. Die BMPT Gruppe [Buren, Mosset, Parmentier, Toroni], die zwischen 1967 und 1968 mit ihren öffentlichen Manifestationen in Paris für Aufsehen sorgen, beschäftigen sich mit genau diesen Themen. Olivier Mosset entlehnt sein Streifenmotiv ausgerechnet Daniel Buren, einem Künstler, der mit seiner Kunst der Autorschaft entsagt. Durch diese Handlung thematisiert Mosset die Frage nach dem Autor in brisanter Weise: indem er Buren Urheberschaft attestiert, verdoppelt und verunklärt er die Autorschaft des von ihm alleine gemalten Gemäldes.
Simona Ciuccio