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Werkbeschrieb
Der in Schwyz geborene Johann Carl Hedlinger (1691-1771) lässt sich in Luzern, Nancy und Paris zum Goldschmied und Medailleur ausbilden. 1718 beruft ihn der schwedische König Karl XII. als Hofmedailleur nach Stockholm. Hedlinger bleibt mit dem schwedischen Hof stets verbunden, schafft daneben aber auch Medaillen für Papst Benedikt XIII., Friedrich den Grossen, den Kurfürsten von Bayern und andere bedeutende Auftraggeber. 1741 heiratet er Maria Rosa Franziska Schorno, vier Jahre später lässt er sich in seinem Heimatort Schwyz nieder.
Johann Melchior Wyrsch hatte den berühmten Schwyzer Medailleur über seine Eltern kennen gelernt. Ihm hat er seine Stelle als Gehilfe des Franz Anton Kraus in Einsiedeln zu verdanken, und es war vermutlich auch Hedlinger, der Wyrsch mit Empfehlungsschreiben den Studienaufenthalt in Rom erleichtert hat. 1765 bekommt der inzwischen als Bildnismaler gefragte Wyrsch den Auftrag, die Familie Hedlinger in mehreren Gemälden festzuhalten. Anlass zu diesem Auftrag bot wohl die am 4. Juni 1765 stattfindende Heirat des einzigen Kindes, Rosa Karolina Hedlinger, mit ihrem Cousin Viktor Laurenz Hedlinger.
Mittelpunkt dieses Auftrages stellt das Bildnis des Medailleurs selbst dar: Wyrsch zeigt den bereits älteren Goldschmied in einem Oval als Halbfigur, den Körper im Dreiviertelprofil nach rechts gedreht, den Kopf jedoch dem Betrachter frontal zugewendet. Die schlichte Kleidung, graue Perücke, pelzbesetzter Mantel, geöffneter Hemdkragen und Weste, deutet auf eine private Umgebung hin. Nur das umgehängte rote Ordensband ist Zeichen für Hedlingers bedeutende Stellung. Mit seiner rechten Hand weist der Porträtierte auf zwei vor ihm auf dem Tisch liegende Medaillen hin – eine Geste, die zudem noch durch das weiss der Manschette und das Oval des Bildträgers hervorgehoben wird. Mit der Wahl des Bildformats und dem einheitlich dunklen Hintergrund, vor dem sich der ebenfalls dunkel gekleidete Medailleur kaum abhebt, setzt Wyrsch Kopf und Hand des Porträtierten in den Mittelpunkt der Bildkomposition. Hier scheint es allerdings – anders als in anderen Bildnissen Wyrschs – weniger um die Zeigegeste als um die Darstellung der Hand an sich zu gehen: sie ist ausführendes Werkzeug des bildenden Künstlers und wesentliches Instrument von Hedlingers Kunstausübung.
Als Pendant zu dem in sich geschlossenen Bildnis des Medailleurs malt Wyrsch das Porträt von Frau Hedlinger-Schorno, welches sich ebenfalls in der Sammlung des Kunstmuseums Luzern (Inv.-Nr. E 48x) befindet. Es handelt sich bei der Dargestellten nicht um die Ehefrau, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Bildnisse bereits verstorben war, sondern um die Schwägerin von Johann Carl Hedlinger. Auch ein Porträt der Tochter Rosa Karolina Hedlinger ist erhalten (Privatbesitz).
Barbara von Flüe
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Gottfried Keller-Stiftung, Bern, Laut Fischer wurde das Bild 1903 von der Gottfried Keller-Stiftung aus dem "Heimstöckli" des Hauses Hedlinger in Schwyz erworben.
Eingangsjahr:1903
Ausstellungsgeschichte
Mixing Memory and Desire – Wunsch und Erinnerung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 20.06.2000 - 24.09.2000
Johann Melchior Wyrsch, Stans, Nidwaldner Museum, 20.06.1998 - 11.10.1998
Die Bildniskunst der Innerschweiz im XVIII. und beginnenden XIX. Jahrhundert. Wyrsch, Reinhard, Diogg und Zeitgenossen, Luzern, Kunstmuseum Luzern, Musegg, 01.07.1928 - 04.09.1928
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
Meisterwerke der Gottfried Keller-Stiftung. Schweizer Kunst aus neun Jahrhunderten, Zürich, Kunsthaus Zürich, 10.06.1965 - 21.07.1965
50 Jahre Gottfried-Keller-Stiftung, Bern, Kunstmuseum Bern, 14.06.1942 - 20.09.1942
«Und die alten Formen stürzen ein». Kunst um 1800 aus der Sammlung, Luzern, 09.03.2019 - 17.11.2019
Literatur
Flüe, Barbara von, "Johann Melchior Wyrsch", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 29-33
Flüe, Barbara von, "Johann Melchior Wyrsch (engl.)", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 35-38
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Stans, Nidwaldner Museum (Ausst.-Kat.), "Gepudert und geputzt". Johann Melchior Wyrsch 1732-1798. Porträtist und Kirchenmaler, hrsg. von Matthias Vogel, Regine Helbling, Marianne Baltensperger, Stans: Nidwaldner Museum; Basel: Schwabe, 1998
Oberholzer, Niklaus, "Virtuoser und engangierter Porträtist", in: Neue Luzerner Zeitung, Nr. 141, 22. Juni 1998, S. 11
Landolt, Hanspeter, Sammeln für die Schweizer Museen. Gottfried Keller-Stiftung. Collectionner pour les musées suisses. Fondation Gottfried Keller. Collezionare per i musei svizzeri. Fondazione Gottfried Keller. 1890–1990, mit Texten von Hugo Wagner (et al.), Bern: Benteli, 1990
Joubert, Marie-Dominique, Jean Melchor Wyrsch un peintre suisse en Franche-Comté à la fin du XVIIIème siècle, Besançon, Diss. Besançon (Typoscript), 1989
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Felder, Peter, Medailleur Johann Carl Hedlinger 1691 - 1771. Leben und Werk, Aarau: ohne Verlag, 1978
Zürich, Kunsthaus Zürich (Ausst.-Kat.), Meisterwerke der Gottfried Keller-Stiftung. Schweizer Kunst aus neun Jahrhunderten, mit einem Beitrag von Michael Stettler, Bern: Verlag der Eidgenössischen Kommission der Gottfried Keller-Stiftung, 1965
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Bovy, Adrien, La peinture suisse de 1600 à 1900, Basel: Birkhäuser, 1948 (Art Suisse Bd. 4)
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940
Fischer, Paul, Der Maler Johann Melchior Wyrsch von Buochs, 1732-1798. Sein Leben und sein Werk, Zürich: ohne Verlag, 1938
Luzern, Kunstmuseum Luzern, Musegg (Ausst.-Kat.), Bildniskunst der Innerschweiz im XVIII. und beginnenden XIX. Jahrhundert. Wyrsch. Reinhard, Diogg und Zeitgenossen, mit einem Geleitwort von Dr. Paul Hilber, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1928
Blondeau, Georges, "Les oeuvres du peintre Melchior Wyrsch de 1760 à 1765", in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde 30, 1928, S. 47-55, 103-111
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Katalog der Kunstwerke in Rathaus in Luzern, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1916
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Catalog der Gemälde-Sammlung der Kunstgesellschaft in Luzern, Luzern: Verlag der Kunstgesellschaft, 1905