Niki de Saint Phalle erhält während ihrer gesamten künstlerisch vielseitigen Tätigkeit vielfach die Möglichkeit weltweit grosse Ausstellungen zu veranstalten und monumentale Skulpturen für den öffentlichen Raum zu erschaffen. Sie arbeitet mit mannigfachen Materialien und Techniken. Neben ihren Ölgemälden, Gouachen und Zeichnungen finden sich zahlreiche grafische Arbeiten wie Radierungen, Lithografien und Serigrafien. Obwohl diese Arbeiten sehr zahlreich sind, nehmen sie im Werk de Saint Phalles eine eher untergeordnete Stellung ein. Ihre grafischen Arbeiten wurden mit weiteren Werken zusammen unter anderem 2005 in der Galerie am Dom in Wetzlar, 2004 in der Kunsthalle Nürnberg und 2002 im Musée d’Art Moderne et d’Art Contemporain in Nizza anlässlich der grosszügigen Schenkung der Künstlerin, gezeigt. Das Kunstmuseum Luzern hat 1969 in Zusammenarbeit mit vier deutschen Institutionen unter dem Titel „Niki de Saint Phalle. Werke 1962-1968“ eine Ausstellung mit Wandreliefen, Polyesterfiguren und Serigrafien organisiert. Aus dieser Ausstellung gingen mehrere Serigrafien als Schenkung der Künstlerin in die Sammlung des Kunstmuseums Luzern über.
De Saint Phalle beschäftigt sich ab 1968 intensiv mit Serigrafien, die in der Druckerei Albin Uldry im Bernischen Hinterkappelen hergestellt werden. Zu diesen Blättern gehört unter anderem eine Druckgrafik, die zugunsten der Krebsforschung erstellt wurde. Die Ideen für ihre grafischen Werke gehen aus Zeichnungen hervor, die Motive entstammen der Natur und der Tierwelt. Zu sehen sind Bäume, Blumen, Vögel, Monster, Drachen und Dinosaurier. Sie widmet sich aber auch existentiellen Themen wie Liebe, Schmerz und Tod und kombiniert darin ihre persönlichen Lebenserfahrungen mit ins phantastische ausufernden Erzählungen. De Saint Phalle findet in diesen Arbeiten eine eigene Handschrift, welche Text und Bild verbindet und Erfahrungen und Stimmungen wie in einem Comic illustrativ zur Darstellung bringt.
De Saint Phalles Siebdrucke weisen alle eine sehr ähnliche Struktur auf. Die Künstlerin vermeidet jede Räumlichkeit und setzt keine perspektivischen Mittel ein. Kleinformatige, kindlich wirkende Zeichnungen, die oftmals als Symbole stellvertretend für ein Thema stehen, werden durch sprachliche Ergänzungen hervorgehoben, wodurch im Bild eine Narration entsteht. Die handgeschriebenen Ergänzungen treten auf als Fragesätze oder intime Gefühlsausdrücke und sind rund um die Abbildungen platziert. Durch diesen sprachlichen Eingriff gibt de Saint Phalle eine Erzählstruktur vor. Es fällt auf, dass die Künstlerin gleiche Motive etwas abgeändert in neue Kontexte stellt.
Selina Merdanli