In der Arbeit "Premonition" (KML 2007.63y) sind feine, weisse über die gesamte Bildfläche verteilte Linien auf schwarzem Grund eingekratzt. Die zarten, etwas starr und statisch wirkenden Striche werden vereinzelt von Bildelementen wie Kreuz, Kirchturm, Pfeil oder Strichmännchen, die sich andeutungsweise und formelhaft im ganzen Bild wiederholen, begleitet. Dominant – fast im Bildzentrum – positioniert sich ein weisses Kreuz, dessen feine Linien sich zu breiten Balken verdichten. Spärlich gesetzte Farbakzente in Blau beleben die ansonsten düstere Darstellung.
In der vorliegenden Arbeit auf Papier bedient sich Sekula der bereits in früheren Werken verwendeten Kratztechnik, und der schwarze Malgrund erinnert an die "night paintings" der 40er Jahre. Im Gegensatz dazu reduzieren sich in "Premonition" jedoch die Farbigkeit, die Lebendigkeit, das Spielerische des Dargestellten wie auch die Dichte des Liniennetzes. Als das Werk im Jahr 1956 entsteht befindet sich die Familie Sekula seit einem Jahr wieder in der Schweiz. In dieser Zeit, Sonja Sekula hält sich meist aufgrund ihrer Gemütskrankheit in Kliniken auf, klagt die Künstlerin über Isolation von der Kunstwelt, über mangelnde Einfälle und die Suche nach neuen Formen. Der Titel "Premonition" – was im Deutschen so viel wie Ahnung, Vorwarnung oder Warnung bedeutet – bezieht die Betrachtenden in die Reflexionen, die Bewusstseinszustände oder Stimmungen der Künstlerin widerspiegeln, mit ein.
Barbara Hatebur