Rémy Markowitsch, 33 Einträge
Rémy Markowitsch wird 1957 in Zürich geboren. Nach einer Ausbildung zum Fotografen arbeitet er zunächst als Journalist und Fotograf. In den frühen 1990er Jahren beginnt er die technischen und visuellen Eigenheiten der Fotografie in einem künstlerischen Prozess auszuloten. 1993 präsentiert er in der Luzerner Galerie Urs Meile grossformatige Fotoarbeiten. Zusammengefasst zur Serie „Nach der Natur“ (vgl. KML GH 92.223:1-3x) zeigen die seit 1991 entstehenden Werke chimärengleiche Wesen, entstanden durch die Durchleuchtung vor- und rückseitig bedruckter Buchseiten. Diese frühe Serie zeugt von Markowitschs Interesse an den Prozessen der Reproduktion und der Durchleuchtung und verweist in diesem Sinne bereits auf einen zentralen, in seinem künstlerischen Schaffen wiederkehrenden Themenkomplex.
Mit der seriellen Arbeit der „ÄsopScans“ führt Markowitsch 1996 den Prozess der Durchleuchtung weiter. Als Lichtquelle dient ihm nun ein Röntgenapparat, ein Scanner zur Gepäckkontrolle am Flughafen, durchleuchtet werden nun weder Buchseiten noch Koffer sondern dreidimensionale Tierpräparate. Die so entstehenden Bilder sind nicht minder irritierend als die auf den durchleuchteten Buchseiten von „Nach der Natur“ aufscheinenden zweiköpfigen oder mehrbeinigen Wesen. Diesen frühen, mit dem Effekt von starken Lichtquellen experimentierenden Arbeiten ist weiter auch das Moment der Überraschung, des Unvorhersehbaren immanent. So bedient sich Markowitsch in seinem künstlerischen Schaffen auch in einem übertragenen Sinne den Prozessen der Durchleuchtung und der Freilegung von vermuteten, noch unsichtbaren Strukturen, deren unmittelbare visuelle Form erst durch die angewandte künstlerische Strategie offenbar wird. Markowitsch findet seine Bücher, seine Bilder oder seine Objekte auf Flohmärkten, in Trödelläden; er fotografiert oder röntget sie und produziert in einem Umwandlungsprozess neue, überraschende Bilder, die das Moment des Unvorhersehbaren im Bildfindungsprozess visualisieren.
2004 schafft der Künstler die Serie „On Travel: 'Tristes Tropiques'“ (Vgl. KML 2005.86:1-20q), die sich mit dem Medium Buch als kultureller Speicher auseinandersetzt. Als Grundlage dient Markowitsch der Reisebericht „Tristes Tropiques“ von Claude Lévi-Strauss, der mit zahlreichen Fotografien der indigenen Bevölkerung aus dem Amazonasgebiet illustriert ist. Die von Markowitsch gefertigten Fotografien der durchscheinenden Buchseiten zeigen Schichtungen und Überlagerungen, welche die der akribischen Wissenschaft verpflichteten ethnologischen Fotografien wieder in der Unschärfe verschwinden lassen.
Das Buch als vielschichtiges Medium und als kulturelles Produkt schlechthin steht bereits in Markowitschs erster institutioneller monografischer Ausstellung „Finger im Buch“ 1996 anlässlich des Manor-Kunstpreises im Kunstmuseum Luzern im Zentrum. Ähnlich wie an den gefundenen Bildern vollzieht der Künstler auch am Medium Buch einen Prozess der Transformation. Das Ausstellungsprojekt in Luzern hüllt den Betrachter unter anderem in das Stimmengewirr von zwölf, mit digitaler Kamera festgehaltenen und parallel abgespielten Lesungen, die die Schriftlichkeit des Buches in einen akustischen und visuellen Akt transformieren. Im gross angelegten Ausstellungs- und Publikationsprojekt „Bibliotherapy“ (2001–2003) setzt Markowitsch seine Beschäftigung mit dem 'Universum Buch' fort. Erneut bannt er mit der Videokamera über hundert Leserinnen und Leser, die in ihrem privaten Umfeld Gustave Flauberts „Bouvard et Pécuchet (vgl. KML 2003.9v), Gottfried Kellers „Der grüne Heinrich“ (vgl. KML 2003.10-13v) und Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ vorlesen. Das so entstehende 'Bildnis' des jeweiligen Textes ist wesentlich bestimmt durch die individuelle Färbung und Gestaltung des Textes durch den Vorlesenden, zugleich erfahren die ausgewählten Klassiker der Weltliteratur durch den performativen Akt des Vorlesens eine erweiterte Bedeutung, die über die Ebene der reinen Schriftlichkeit des Textes hinauszeigt.
Während das Projekt „Bibliotherapy“ von Markowitsch als 'work in progress', das letztlich ortsunabhängig ist, verstanden wird, schafft er in jüngerer Zeit beispielsweise mit „You’re not alone“ oder mit „Spirit“ grossangelegte, ortsspezifische Arbeiten. Für das Kirchner Museum in Davos realisiert er 2004 das Projekt „You’re not alone“ das den Lebensraum und die Lebenserfahrung des deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner auslotet. 2005 folgt er der Einladung des Coninx-Museums und begibt sich mittels einer eigens konzipiertern Ausstellung auf die Spuren des Sammlers Werner Coninx (1911–1980). Ähnlich wie die Bücher durchleuchtet er nun die Sammlung des Zürcher Museums, sucht nach den Schichtungen, den Überlagerungen; versucht die Sammlung in ihrer Gesamtstruktur zu erfassen und bezüglich der Motivationen des Sammlers zu befragen. 2006 beschäftigt sich Markowitsch im Projekt „Insecurity“ mit der Durchleuchtung ehemaligen Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt und der damit verbundenen Entwicklung des Jugendstiles.
Für sein künstlerisches Schaffen erhielt Markowitsch mehrere Preise, so beispielsweise den Eidgenössischen Preis für freie Kunst 1994 und den Manor-Kunstpreis Luzern 1996. Seine Arbeiten wurden an zahlreichen Ausstellungen in der Schweiz und im Ausland gezeigt. Heute lebt und arbeitet Rémy Markowitsch in Berlin und in der Schweiz.
Gioia Dal Molin
Mit der seriellen Arbeit der „ÄsopScans“ führt Markowitsch 1996 den Prozess der Durchleuchtung weiter. Als Lichtquelle dient ihm nun ein Röntgenapparat, ein Scanner zur Gepäckkontrolle am Flughafen, durchleuchtet werden nun weder Buchseiten noch Koffer sondern dreidimensionale Tierpräparate. Die so entstehenden Bilder sind nicht minder irritierend als die auf den durchleuchteten Buchseiten von „Nach der Natur“ aufscheinenden zweiköpfigen oder mehrbeinigen Wesen. Diesen frühen, mit dem Effekt von starken Lichtquellen experimentierenden Arbeiten ist weiter auch das Moment der Überraschung, des Unvorhersehbaren immanent. So bedient sich Markowitsch in seinem künstlerischen Schaffen auch in einem übertragenen Sinne den Prozessen der Durchleuchtung und der Freilegung von vermuteten, noch unsichtbaren Strukturen, deren unmittelbare visuelle Form erst durch die angewandte künstlerische Strategie offenbar wird. Markowitsch findet seine Bücher, seine Bilder oder seine Objekte auf Flohmärkten, in Trödelläden; er fotografiert oder röntget sie und produziert in einem Umwandlungsprozess neue, überraschende Bilder, die das Moment des Unvorhersehbaren im Bildfindungsprozess visualisieren.
2004 schafft der Künstler die Serie „On Travel: 'Tristes Tropiques'“ (Vgl. KML 2005.86:1-20q), die sich mit dem Medium Buch als kultureller Speicher auseinandersetzt. Als Grundlage dient Markowitsch der Reisebericht „Tristes Tropiques“ von Claude Lévi-Strauss, der mit zahlreichen Fotografien der indigenen Bevölkerung aus dem Amazonasgebiet illustriert ist. Die von Markowitsch gefertigten Fotografien der durchscheinenden Buchseiten zeigen Schichtungen und Überlagerungen, welche die der akribischen Wissenschaft verpflichteten ethnologischen Fotografien wieder in der Unschärfe verschwinden lassen.
Das Buch als vielschichtiges Medium und als kulturelles Produkt schlechthin steht bereits in Markowitschs erster institutioneller monografischer Ausstellung „Finger im Buch“ 1996 anlässlich des Manor-Kunstpreises im Kunstmuseum Luzern im Zentrum. Ähnlich wie an den gefundenen Bildern vollzieht der Künstler auch am Medium Buch einen Prozess der Transformation. Das Ausstellungsprojekt in Luzern hüllt den Betrachter unter anderem in das Stimmengewirr von zwölf, mit digitaler Kamera festgehaltenen und parallel abgespielten Lesungen, die die Schriftlichkeit des Buches in einen akustischen und visuellen Akt transformieren. Im gross angelegten Ausstellungs- und Publikationsprojekt „Bibliotherapy“ (2001–2003) setzt Markowitsch seine Beschäftigung mit dem 'Universum Buch' fort. Erneut bannt er mit der Videokamera über hundert Leserinnen und Leser, die in ihrem privaten Umfeld Gustave Flauberts „Bouvard et Pécuchet (vgl. KML 2003.9v), Gottfried Kellers „Der grüne Heinrich“ (vgl. KML 2003.10-13v) und Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ vorlesen. Das so entstehende 'Bildnis' des jeweiligen Textes ist wesentlich bestimmt durch die individuelle Färbung und Gestaltung des Textes durch den Vorlesenden, zugleich erfahren die ausgewählten Klassiker der Weltliteratur durch den performativen Akt des Vorlesens eine erweiterte Bedeutung, die über die Ebene der reinen Schriftlichkeit des Textes hinauszeigt.
Während das Projekt „Bibliotherapy“ von Markowitsch als 'work in progress', das letztlich ortsunabhängig ist, verstanden wird, schafft er in jüngerer Zeit beispielsweise mit „You’re not alone“ oder mit „Spirit“ grossangelegte, ortsspezifische Arbeiten. Für das Kirchner Museum in Davos realisiert er 2004 das Projekt „You’re not alone“ das den Lebensraum und die Lebenserfahrung des deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner auslotet. 2005 folgt er der Einladung des Coninx-Museums und begibt sich mittels einer eigens konzipiertern Ausstellung auf die Spuren des Sammlers Werner Coninx (1911–1980). Ähnlich wie die Bücher durchleuchtet er nun die Sammlung des Zürcher Museums, sucht nach den Schichtungen, den Überlagerungen; versucht die Sammlung in ihrer Gesamtstruktur zu erfassen und bezüglich der Motivationen des Sammlers zu befragen. 2006 beschäftigt sich Markowitsch im Projekt „Insecurity“ mit der Durchleuchtung ehemaligen Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt und der damit verbundenen Entwicklung des Jugendstiles.
Für sein künstlerisches Schaffen erhielt Markowitsch mehrere Preise, so beispielsweise den Eidgenössischen Preis für freie Kunst 1994 und den Manor-Kunstpreis Luzern 1996. Seine Arbeiten wurden an zahlreichen Ausstellungen in der Schweiz und im Ausland gezeigt. Heute lebt und arbeitet Rémy Markowitsch in Berlin und in der Schweiz.
Gioia Dal Molin