Edouard Castres, 9 Einträge
Edouard Castres wird 1838 in Genf geboren, als Sohn eines aus dem Midi eingewanderten Uhrengraveurs. 1854 beginnt er eine Ausbildung als Emailmaler, wobei er sich das handwerkliche Rüstzeug im Atelier von Justin Dupont, das künstlerische beim Bildhauer Dorcière und vor allem im Zeichenunterricht bei Bartélemy Menn erwirbt. Er entscheidet sich für die freie Kunst. Wie viele Genfer Künstler seiner Zeit zieht es ihn nach Paris, wo er ab 1859 sein Kunststudium an der École des Beaux-Arts fortsetzt. Noch übt er das erlernte Kunsthandwerk aus, um sich finanziell über Wasser zu halten. Wieder in Genf, gelingt ihm der Durchbruch. Neben Landschaften malt er vorwiegend Porträts, und er nimmt in seinem neu eingerichteten Atelier auch Schüler auf. 1868 wird der Genfer von Edouardo Zamacois, einem erfolgreichen Anekdoten- und Kostümmaler, als Gehilfe wieder nach Paris geholt.
Castres befindet sich also im Land seiner Vorfahren, als am 17. Juli 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbricht. Er stellt sich zusammen mit Freunden als freiwilliger Sanitäter in den Dienst Frankreichs und begleitet mit einem Ambulanzwagen unter der Fahne des Roten Kreuzes französische Truppen. So kommt er zuerst nach Le Havre, später in den Süden Frankreichs und schliesslich wird er der Ostarmee zugeteilt, die unter der Leitung von General Bourbaki steht.
Die Bourbaki-Armee steckt am Ende des Krieges in einer verzweifelten Lage: Grosse Strapazen in beissender Winterkälte bei mangelnder Verpflegung und ungenügender Kleidung demoralisieren die Truppen und zehren ihre Kräfte auf. Eingekeilt von zwei deutschen Armeen und vom Kriegsministerium im Stich gelassen, bleibt ihnen nichts anderes als der Rückzug in Richtung Pontarlier. Nach einem verzweifelten Selbstmordversuch Bourbakis entscheidet sich der neu eingesetzte General Clinchant schnell: Er bittet die Schweiz um Asyl für die erschöpften Truppen. Drei Tagen lang werden darauf 87’000 Mann an verschiedenen Grenzübergängen im Neuenburger Jura in die Schweiz eingelassen. Unter ihnen ist auch Edouard Castres.
Der wichtigste Grenzübergang im Jura liegt zu jener Zeit im Hochtal von Les Verrières. Hier führt die Strasse von Paris über Pontarlier und durch das Val de Travers in die Schweiz, und die Bahnlinie der Suisse Occidentale – 1860 hier angelegt – garantiert den schnellen Weitertransport der Verwundeten nach Neuenburg und Bern.
Neben Erinnerungen bringt der Künstler auch Skizzen aus dem Krieg mit nach Hause: Biwakierende Soldaten, Sanitäter und ihre Fuhrwerke. Aber erst im folgenden Jahr beginnt er mit der malerischen Verarbeitung des Erlebten. 1872 erntet der Genfer mit seinem Bild „Ambulance dans la neige“ in Paris eine goldene Medaille des Salons und grosses Lob in der Presse. Der Krieg hat ihn zu einem überzeugten und überzeugenden Militärmaler gemacht. Mit seinem ausgesprochenen Form- und Ordnungswillen erzielt der Menn-Schüler in seinen Bildern jene bestechende Einfachheit, die der schlichten, ungeschminkten Aussage Dauerhaftigkeit verleiht. Der Erfolg am Salon bringt Castres auch Geld ein. Er unternimmt eine Reise, die ihn über Italien nach Kairo führt. Kurz nach seiner Rückkehr verleiht ihm der Salon eine weitere Medaille. Es folgt eine Reise nach Japan, bevor er 1876 von einer belgischen Panorama-Gesellschaft den Auftrag für ein Riesenrundbild zum Thema „Übertritt der Bourbaki Armee in die Schweiz“ erhält.
Das Grosspanorama, das sich Ende des 18. Jahrhunderts zu einem beliebten Unterhaltungsmedium entwickelt hat, boomt mit den aktuellen Themen aus dem Deutsch-Französischen Krieg erneut, und zwar sowohl im siegreichen Deutschland, als auch im Verliererland Frankreich. Warum sollte nicht auch die Schweiz profitieren und den humanitären Akt der Internierung in einem Panorama verewigen?
Zwischen dem Auftrag für das Rundgemälde und dessen Ausführung liegt eine Zeitspanne von rund fünf Jahren, in denen Castres vorwiegend mit den Vorarbeiten für das Panorama beschäftigt ist. Von den anfänglichen Landschaftsskizzen, über Detailstudien und erste Kompositionsversuche ist es ein langer Weg bis zum endgültigen Entwurf des gesamten Rundgemäldes. Ausgeführt wird dieses in der klassizistischen Panoramarotunde, die inzwischen in Genf errichtet worden war. Ein Team von 11 Künstlern (unter ihnen auch der junge Ferdinand Hodler) – teilt sich unter der Leitung des Meisters die Malarbeiten an der im Kreis von 114 m Umfang gespannten und über 14 m hohen Riesenleinwand. Nach fünfmonatiger Arbeit wird das Bourbaki-Panorama am 24. September 1881 in Genf eröffnet. Acht Jahre kann das Bild dort bewundert werden, bevor es im Sommer 1889 in einem neuen Panoramagebäude in Luzerns Fremdenviertel am Löwenplatz neu installiert wird. In Luzern hat es überlebt und ist seit Ende 2005 vollständig renoviert.
Seit 1877 ist Edouard Castres verheiratet und lebt in Etrembières bei Genf. Nach seinen Arbeiten für das Panorama entstehen weiterhin Landschafts- und Genrebilder sowie Porträts seiner wachsenden Familie. Auch die militärischen Sujets tauchen bis gegen Ende seiner Laufbahn immer wieder auf. Ein Fries für den Festsaal der Genfer Armbrustschützen (1900) ist seine letzte grössere Arbeit vor seinem frühen Tod im Jahr 1902.
Heute wie damals sind es vor allem die Bilder aus dem Deutsch-Französischen Krieg, gekrönt von dem spektakulären Bourbaki-Rundbild, welche den Ruf Edouard Castres’ als bedeutenden Schweizer Künstler begründen. Sein Gesamtwerk allerdings bedürfte dringend weiterer Forschungen.
Brigit Kämpfen-Klapproth
Castres befindet sich also im Land seiner Vorfahren, als am 17. Juli 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbricht. Er stellt sich zusammen mit Freunden als freiwilliger Sanitäter in den Dienst Frankreichs und begleitet mit einem Ambulanzwagen unter der Fahne des Roten Kreuzes französische Truppen. So kommt er zuerst nach Le Havre, später in den Süden Frankreichs und schliesslich wird er der Ostarmee zugeteilt, die unter der Leitung von General Bourbaki steht.
Die Bourbaki-Armee steckt am Ende des Krieges in einer verzweifelten Lage: Grosse Strapazen in beissender Winterkälte bei mangelnder Verpflegung und ungenügender Kleidung demoralisieren die Truppen und zehren ihre Kräfte auf. Eingekeilt von zwei deutschen Armeen und vom Kriegsministerium im Stich gelassen, bleibt ihnen nichts anderes als der Rückzug in Richtung Pontarlier. Nach einem verzweifelten Selbstmordversuch Bourbakis entscheidet sich der neu eingesetzte General Clinchant schnell: Er bittet die Schweiz um Asyl für die erschöpften Truppen. Drei Tagen lang werden darauf 87’000 Mann an verschiedenen Grenzübergängen im Neuenburger Jura in die Schweiz eingelassen. Unter ihnen ist auch Edouard Castres.
Der wichtigste Grenzübergang im Jura liegt zu jener Zeit im Hochtal von Les Verrières. Hier führt die Strasse von Paris über Pontarlier und durch das Val de Travers in die Schweiz, und die Bahnlinie der Suisse Occidentale – 1860 hier angelegt – garantiert den schnellen Weitertransport der Verwundeten nach Neuenburg und Bern.
Neben Erinnerungen bringt der Künstler auch Skizzen aus dem Krieg mit nach Hause: Biwakierende Soldaten, Sanitäter und ihre Fuhrwerke. Aber erst im folgenden Jahr beginnt er mit der malerischen Verarbeitung des Erlebten. 1872 erntet der Genfer mit seinem Bild „Ambulance dans la neige“ in Paris eine goldene Medaille des Salons und grosses Lob in der Presse. Der Krieg hat ihn zu einem überzeugten und überzeugenden Militärmaler gemacht. Mit seinem ausgesprochenen Form- und Ordnungswillen erzielt der Menn-Schüler in seinen Bildern jene bestechende Einfachheit, die der schlichten, ungeschminkten Aussage Dauerhaftigkeit verleiht. Der Erfolg am Salon bringt Castres auch Geld ein. Er unternimmt eine Reise, die ihn über Italien nach Kairo führt. Kurz nach seiner Rückkehr verleiht ihm der Salon eine weitere Medaille. Es folgt eine Reise nach Japan, bevor er 1876 von einer belgischen Panorama-Gesellschaft den Auftrag für ein Riesenrundbild zum Thema „Übertritt der Bourbaki Armee in die Schweiz“ erhält.
Das Grosspanorama, das sich Ende des 18. Jahrhunderts zu einem beliebten Unterhaltungsmedium entwickelt hat, boomt mit den aktuellen Themen aus dem Deutsch-Französischen Krieg erneut, und zwar sowohl im siegreichen Deutschland, als auch im Verliererland Frankreich. Warum sollte nicht auch die Schweiz profitieren und den humanitären Akt der Internierung in einem Panorama verewigen?
Zwischen dem Auftrag für das Rundgemälde und dessen Ausführung liegt eine Zeitspanne von rund fünf Jahren, in denen Castres vorwiegend mit den Vorarbeiten für das Panorama beschäftigt ist. Von den anfänglichen Landschaftsskizzen, über Detailstudien und erste Kompositionsversuche ist es ein langer Weg bis zum endgültigen Entwurf des gesamten Rundgemäldes. Ausgeführt wird dieses in der klassizistischen Panoramarotunde, die inzwischen in Genf errichtet worden war. Ein Team von 11 Künstlern (unter ihnen auch der junge Ferdinand Hodler) – teilt sich unter der Leitung des Meisters die Malarbeiten an der im Kreis von 114 m Umfang gespannten und über 14 m hohen Riesenleinwand. Nach fünfmonatiger Arbeit wird das Bourbaki-Panorama am 24. September 1881 in Genf eröffnet. Acht Jahre kann das Bild dort bewundert werden, bevor es im Sommer 1889 in einem neuen Panoramagebäude in Luzerns Fremdenviertel am Löwenplatz neu installiert wird. In Luzern hat es überlebt und ist seit Ende 2005 vollständig renoviert.
Seit 1877 ist Edouard Castres verheiratet und lebt in Etrembières bei Genf. Nach seinen Arbeiten für das Panorama entstehen weiterhin Landschafts- und Genrebilder sowie Porträts seiner wachsenden Familie. Auch die militärischen Sujets tauchen bis gegen Ende seiner Laufbahn immer wieder auf. Ein Fries für den Festsaal der Genfer Armbrustschützen (1900) ist seine letzte grössere Arbeit vor seinem frühen Tod im Jahr 1902.
Heute wie damals sind es vor allem die Bilder aus dem Deutsch-Französischen Krieg, gekrönt von dem spektakulären Bourbaki-Rundbild, welche den Ruf Edouard Castres’ als bedeutenden Schweizer Künstler begründen. Sein Gesamtwerk allerdings bedürfte dringend weiterer Forschungen.
Brigit Kämpfen-Klapproth