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Werkbeschrieb
Im Sommer 1773 kehrte Josef Reinhard nach achtjähriger Ausbildungszeit in Lucca und Rom nach Luzern zurück. Er sprach sogleich beim Rat vor, der seine Ausbildung mit Stipendien finanziert hatte, und will sich für die Unterstützung, die er genossen hatte, erkenntlich zeigen. Gemäss Ratsprotokoll vom 5. Juli 1773 schlägt er vor, als Zeichen seines Dankes ein Bild „als ein Gespan zu demjenigen Gemähl, so die Enthaubtung des Hl. Johannes vorstellet, an der Maur aufhängen zu dürfen“. Bei dem „Gespan“ handelt es sich um das Gemälde „Enthauptung des Johannes des Täufers“ (KML Inv.-Nr. F 94.5x) von Franz Ludwig Raufft (1660–1719 Kassel, oder 1728 Den Haag).
Reinhard malte zu diesem Bild, das sich nachweislich im Rathaus befand, „Die bildenden Künste“ als ein Gegenstück mit den fast gleichen Massen und einem ähnlichen Bildaufbau. Raufft gestaltete die Enthauptungsszene so, dass die beiden seitlichen Figuren des Schlächters und der Herodias mit dem dazwischen liegenden Körper des Johannes ein auf spitzem Winkel stehendes Dreieck bilden. Über diesem ragt der in die Höhe gehaltene, abgeschlagene Kopf des Täufers. Reinhard kehrt in seinem Bild diese Disposition um. Die „Architektur“ auf der linken und die „Bildhauerei“ auf der rechten Seite bilden mit der in der Mitte stehenden „Malerei“ ein gleichschenkliges Dreieck wie in Rauffts Bild, wobei diesmal der spitze Winkel zum oberen Rand des Gemäldes verläuft. Als Pendant zum abgeschlagenen Haupt in Rauffts Enthauptungsszene malt Reinhard in seiner Allegorie ebenfalls einen isolierten Kopf. Es ist das in Stein gehauene Skulpturfragment an der Basis des Bildes. In beiden Gemälden bringt eine vierte Figur Dynamik in den Bildaufbau. Die Zierrahmen beider Werke haben dasselbe Profil, wobei derjenige des früher gemalten auch älter ist und als Vorlage für das Gegenstück diente.
Reinhard malte mit den „Bildenden Künsten“ nicht nur ein Dankesbild sondern auch ein Beweisstück seines Könnens. Er brachte aus Rom, das er mit Ruinen im Hintergrund andeutete, die Verbildlichung dessen zurück, was er mit der Unterstützung des Rates lernen durfte: die artes liberales und natürlich insbesondere die alles überragende Malerei. Der Dankestext ist auf dem Bild in den am rechten unteren Bildrand gelegenen Stein gehauen: „Testimonium artis liberalitate Ex.mi Senatus / apprehensa et debita gratitudinis dare s[t]uduit: / ańo Domini MDCCLXXV Jos: Reinnert.“ (Jos. Reinnert bemühte sich im Jahr des Herrn 1775 ein Zeugnis seiner Kunst zu geben und seine Dankesschuld abzustatten, nachdem er in den Genuss der Grosszügigkeit des vortrefflichen Rats gekommen war). Der Rat der Stadt Luzern machte das Gemälde im Rathaus öffentlich zugänglich und präsentierte es als Zeugnis seiner obrigkeitlichen Kunstförderung.
Christoph Lichtin
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum des Kantons Luzern, Dep. des Staates. Am 3.4.1935 mit Genehmigung d. H. Reg. getauscht in der Kantonsbibliothek gegen "Maratti: Flucht nach Äypten"
Eingangsjahr:1935
Ausstellungsgeschichte
Ausstellung der Kunstgesellschaft der Stadt Luzern im Stadthause zu Luzern, Luzern, Stadthaus, 19.05.1889 - 02.06.1889
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Josef Reinhard (1749–1824) und Clara Reinhard (1777–1848), Luzern, Kunstmuseum Luzern, 10.12.2005 - 05.03.2006
Ausstellung von Seite der Kunstgesellschaft in Lucern, beim Anlasse der 50jährigen Jubelfeier ihrer Begründung, Luzern
Figuren und Porträts von Hans Holbein bis Ugo Rondinone aus der Sammlung, Kunstmuseum Luzern
Bilder von Künstlern und Künstlerinnen, Luzern, 28.02.2015 - 22.11.2015
Aus der Sammlung: Männer und Frauen
«Und die alten Formen stürzen ein». Kunst um 1800 aus der Sammlung, Luzern, 09.03.2019 - 17.11.2019
Literatur
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Josef Reinhard (1749-1824). Trachten, Porträts, Menschenbilder, hrsg. von Christoph Lichtin, Bern: Benteli, 2005
Bühlmann, Karl, "175 Jahre Kunstgesellschaft Luzern.", in: Luzerner Neuste Nachrichten, Beilage, 23. Juni 1994, S. 1-7
Vogel, Maria, "175 Jahre Kunstgesellschaft Luzern. Endlich genügend Raum für die Kunst", in: Luzerner Zeitung, Nr. 145, 25.6.1994, S. 38
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Katalog der Kunstwerke in Rathaus in Luzern, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1916
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Catalog der Gemälde-Sammlung der Kunstgesellschaft in Luzern, Luzern: Verlag der Kunstgesellschaft, 1905
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Ausst.-Kat.), Katalog der Jubiläums-Ausstellung der Kunstgesellschaft der Stadt Luzern im Stadthause zu Luzern, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1889
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Dokument Stadtarchiv), Verzeichnis derjenigen Gemälde welche in Wahrung des Eigenthumsrechtes dem luzernischen Museum einverleibt worden sind, 1875
Luzern (Ausst.-Kat.), Ausstellung von Seite der Kunstgesellschaft in Lucern, beim Anlasse der 50jährigen Jubelfeier ihrer Begründung, hrsg. von der Kunstgesellschaft Luzern, Luzern: Gebrüder Räber, 1869
Rat der Stadt Luzern, Ratsprotokoll vom 5. Juli 1773, fol. 2, Luzern: Staatsarchiv Luzern, 1773