Eine wichtige Person für Josef Reinhards künstlerische Laufbahn war Franz Ludwig Pfyffer von Wyher (1716–1802), Generalleutnant und Topograf, mit dem Reinhard seit spätestens 1776 bekannt war. 1762 begann Pfyffer mit seinem grossen Relief der Urschweiz, das zu einer Attraktion von Weltruf werden sollte und seit 1873 im Gletschergarten Luzern ausgestellt ist. 24 Jahre arbeitete er an diesem Werk, das Ende des 18. Jahrhunderts in fast jedem Reisebericht über Luzern beschrieben wird. So berichtet 1782 etwa Leonard Meister, dass Franz Ludwig Pfyffer ihn nach der Besichtigung des berühmten Reliefs mit einem Landsmann namens Reinhard bekannt gemacht habe, „der es durch angebohrnes Genie, in der Mahlerkunst weit gebracht hat.“ Pfyffer liess sich von Reinhard mehrmals porträtieren und ermöglichte ihm wohl auch den Kontakt zu weiteren Exponenten der Luzerner Gesellschaft.
Das interessanteste Porträt (1802, Gletschergarten Luzern), auf das sich auch die vorliegende Zeichnung bezieht, gelang Reinhard im Todesjahr Pfyffers. Der Greis steht hinter einem Teil seines Reliefs. Mit unsicherem Blick stützt er sich ab, als würde er fürchten, man wolle ihm sein Lebenswerk entreissen. Die Kleidung ist nach der neuen Mode, den Zylinder trägt er über einer hellen Wollmütze. Das gefurchte Gesicht lässt die Enttäuschungen der letzten Jahre erahnen. Aus dem regimentsfähigen stolzen Patrizier und General ist ein greiser Bürger geworden.
Die Zeichnung entstand erst 14 Jahre nach Pfyffers Tod und ist demnach eine Nachzeichnung nach dem Gemälde. Sie macht als Nr. 61 den Abschluss einer ungebundenen, durchnummerierten Serie mit Trachtendarstellungen. Die Nr. 60 ist ein ebenso berühmter Innerschweizer: Niklaus von Flüe (KML Inv.-Nr. RH 172y). In dieser retrospektiven Schau über sein eigenes künstlerisches Schaffen setzt Reinhard seinen ehemaligen Gönner an den Schluss. Hat er am Beginn seiner künstlerischen Karriere den ersten Platz eingenommen, gebührt ihm nun der Ehrenplatz.
Christoph Lichtin